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Attwengern, so wenig wie möglich |
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Das
Linzer Duo Attwenger veröffentlicht mit "Sun" wieder eine
vergnügliche
Reise durch die Wunderwelt von Dialekt und Sound. Dass man dabei auch
oft am
Provinzialismus vorbeimuss, belegt das neue Lied "Kaklakariada":
"Diese
gaunzn Patriotn, nationale Idiotn!" Ein Gespräch über nötige
und unnötige
Wiederholungen in Politik und Musik.
Wien
- Am 18. März ist es so weit. Nach fünf Jahren Pause, während
denen man
die alten volksmusikalischen Sounds endgültig abstreifte und Neuland
in
Richtung globaler Grooves sichtete, veröffentlichen Markus Binder
und
Hans-Peter Falkner mit Sun ihr fünftes Album.
Nach dem räudigen
Volksmusik-Punk der Anfangszeit, einer Beschäftigung mit
Hip- Hop und Techno öffnet sich das autarke Duo nun erstmals äußeren
Einflüssen. Es kooperiert mit dem britischen Avantgardegitarristen
Fred
Frith, der serbischen Turboblasmusik Boban Markovic Orkestar und den
Münchner Elektronikern Couch.
Der Musik und den
Texten hat das hörbar gut getan. So frisch haben Attwenger
selten geklungen. Und nach all der Reduktion und Repetition, der immer
noch
größeren Verknappung von Form und Inhalt der letzten Jahre
werden jetzt auch
wieder "Geschichten" erzählt. Wenn man so will. Davon gleich
mehr.
Zuvor möchte
nämlich Akkordeonspieler Hans-Peter Falkner etwas klarstellen.
Es geht um lange Schaffenspausen und Faulheit:
"Man könnte
jetzt natürlich schon sagen, dass fünf Jahre eine lange Zeit
sind. Andererseits haben wir in den ersten drei Jahren unseres Bestehens
drei Alben veröffentlicht, dann vier Jahre pausiert - und jetzt eben
fünf.
Unter dem Strich sind das fünf Alben in zehn Jahren, was ja nicht
unbedingt
faul ist. Außerdem lassen wir uns nicht stressen. Wir stressen uns
ja nicht
einmal selbst."
Schlagzeuger und Texter
Markus Binder: "Attwengern bedeutete immer schon: so
wenig wie möglich."
Hans-Peter Falkner:
"Der eigentliche Endpunkt war ja schon mit Hob Mi 1991
auf unserem Debüt Most erreicht: ,Hob mi, hob mi, hob mi, hob mi
. . .' Zwei
Minuten lang - und dann: ,Hob mi do gern!'"
Markus Binder: "Durch
die jahrelange Arbeit mit so wenig Material habe ich
allerdings entdeckt, dass ,richtige' Texte und Geschichten schon auch
lässig
sind. In der Frage der Reduktion haben wir eine gewisse Routine. Das merkt
man. Eine kurze Phrase kommt ins Rollen und wiederholt sich endlos. So
wie
der erste Song auf der neuen CD: ,Muamen wia de Mauna/ die muamen die
Mauna
. . .'
Die Frage ist: Wie
kann man es sprachlich und in unserem Fall eben auch mit
einer musikalischen, auf den Beats beruhenden Sprache möglichst knapp
und
gleichzeitig offen für verschiedene Deutungsansätze schaffen,
das zu
beschreiben, was wir im Titelsong von Sun versuchen. Die Idee des roten
Lichts, das entsteht, wenn man die Augen schließt und in die Sonne
schaut.
Wie bringe ich das in eine Geschichte, ohne dass ich ins Plappern komme?"
Geschichten ohne Anfang
und Ende. Erzählen, ohne sich auf die gewohnte
Erzählstruktur zu verlassen. Bei Attwenger geht es nicht von Punkt
A nach
Punkt B. Hier geht es beständig um den Punkt A herum, und das wird
von Punkt
B aus beschrieben. Deshalb kann man bei Attwenger nie zu spät kommen.
Es
gibt keinen Anfang. Und wenn es langweilig wird, dann steigt man einfach
wieder aus.
Über das Scheitern
Markus Binder: "Das
ist wie die Fahrt mit einer Hochschaubahn, wo dauernd
Bildfetzen an einem vorbei fliegen. Na ja, aussteigen sollte man da während
der Fahrt eher nicht . . . Nimm unser neues Stück Laara Disch. Da
probiert
man etwas, dann geht es schief und am Schluss sitzt man wieder vor dem
leeren Tisch. Diese Erfahrung des Scheiterns wird beschrieben."
Das Scheitern bei
größtem politischen Erfolg wird dann auch im zentralen
Stück des neuen Albums umkreist: " Ka Klakariada kau da irgendwos
dazöhn wos
schdimmt."
Markus Binder: "Hier
wird ein globales Phänomen beschrieben. Man kann das
auch österreichmäßig interpretieren, aber nach dem 11.
September hat sich
das weltweit verstärkt, dass da aus kleinkarierter Sicht heraus ganze
Kulturkreise verdammt werden. Was die Leute nicht verstehen, da machen
sie
sich gleich die Hosen voll deswegen.
Es geht um diese Verschränkung
von Hass gegenüber ,dem Anderen' und damit
verbunden das eigene Aufblasen. Das ist ja weltweit am Zunehmen. Dann
liest
man in der Zeitung von der Elfriede Jelinek, dass sie auswandern möchte.
Da
muss man sich fragen: Okay, aber wo wanderst du denn hin?!
Ziehst du nach Hamburg?
Da haben sie dasselbe wie bei uns mit Rechtsaußen in
der Regierung. Oder nach Dänemark? Oder zum Le Pen? Ich kann doch
nicht
sagen, ich wandere jetzt aus, weil das ist mir zu blöd hier. Es schaut
rundherum nicht gut aus. Wir betreiben auf sehr interationale Art
Provinzialismusstudien."
Stichwort: Ich liebe
die italienische Lebensart, die kann ich mir beim Billa
kaufen. Aber die Italiener sollen bitte daheim bleiben.
Markus Binder: "In
der Fußgängerzone von St. Pölten schaut es auch nicht
anders aus wie in der von Bielefeld. Provinzialismus bedeutet Teil eines
großen marktwirtschaftlichen Freiraums zu sein, aber dahinter verbirgt
sich
immer die Behauptung: Aber wir hier daheim, wir sind auch super, und wir
wollen auch schön dastehen. Mir ist das jetzt ja zu soziologisch,
aber:
Provinzialismus ist ja nur eine Reaktion auf die Globalisierung, diese
Behauptung ist ja ein Blödsinn.
Diese alte EU-Geschichte
von: Wir stärken die Regionen! Da muss ich mir doch
angesichts unserer Landespolitik-Wastln sagen: Hey, das habt ihr eh schon
immer gesagt, wie super ihr selber seid!
Den Karl Schranz mit
,Mia san mia!' hat's vor 30 Jahren auch schon gegeben.
Das kann's nicht sein, diese Selbstüberhöhung. Attwenger schaut,
was da
passiert. In unserer bescheidenen Form."
(Christian Schachinger
DER STANDARD, 14. März 2002)
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