Abendzeitung

Die große Stärke von Wiglaf Droste ist es bestimmt nicht, mit seinem Spardosenterzett ein paar alte Rausschmeißer von Johnny Cash zu geben. Seine etwas "gewollte", allzu brave Auslegung von "I Won't Back Down" (das ja eigentlich von Tom Petty stammt) gehört dann auch zu den schwächeren Interpretationen auf "A Boy Named Sue", einem angemessen ungewöhnlichen Tribut-Album, das uns das Trikont-Label rechtzeitig zum 70. Geburtstag Cashs (am 26. Februar) beschert. Doch was Droste schreibt, trifft hingegen meist ins Ziel - und über den "Bad Lieutenant der Countrymusik" (Karl Bruckmaier) schrieb er in der "Taz" einmal folgendes: "Beten gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, aber dafür, dass Johnny Cash vielleicht noch eine Platte besingt, kann man ganz eigennützig auf die Knie gehen." Amen.

Wer ungläubig - ja, Ungläubiger! - den Kopf darüber schüttelt, dass so ein Aufsehen um Cashs Jubeltag gemacht wird, nicht versteht, warum 19 Musiker, Bands und Projekte dem Meister auf dieser Sammlung Tribut zollen, ja warum denn Cash überhaupt ein "Meister" sein soll, der hat nicht nur in den 60-ern, in den Zeiten von Johnnys Gefängniskonzerten, Verkaufsrekorden und Konzeptalben auf seinen Ohren gesessen (oder eben noch gar keine Ohren besessen), sondern wohl auch die 90-er verschlafen. Denn da gelang Cash durch die Mithilfe von Rick Rubin eine triumphale Rückkehr, in deren Verlauf er auch die Generation X, Y und Z erreichen sollte. Und auch jene Musiker fielen auf die Knie, deren Songs Cash nun wiederum auf einzigartige Art und Weise coverte - von Nick Cave über Soundgarden bis hin zu U2. Die von Franz Dobler (Autor, Journalist, DJ) zusammengestellte und um einen hervorragenden Booklet-Aufsatz bereicherte Compilation "A Boy Named Sue" zeichnet allerdings vor allem aus, dass die hier versammelten Musikanten aus dem deutschsprachigen Raum ihre Köpfe nicht zu tief verneigen.
The Bionaut alias Jörg Burger schickt den alten Trampheroen Johnny auf die Reise mit dem Future Train, GUZ alias Olifr Maurmann (Die Aeronauten) lässt "Guess Things Happen That Way" aus allen Ritzen qualmen, das exilchilenische Unikum Alvaro kauderwelscht im US-Latino-Slang Spanglish ein eigenes trockenes Hohelied auf das lebende Denkmal: "Senor Johnny Cash".
Die weitere Liste der hier angetretenen Künstler reicht von den Skaisten der Kingston Cowboys über beseelte Nischenmusikanten wie Cow, Tilman Rossmy, Fred Is Dead, Bernadette La Hengst und Queen Of Japan bis hin zu dem Fink-Projekt Mann ohne Schmerzen und dem Sextett Three Shades Of Blues, hinter dem schon wieder die nimmermüden Acher-Brüder von The Notwist stecken. Tja, "guess things happen that way". Johnny könnte das alles recht gut gefallen.

von: Dimitri Ogetz
 

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last updated: 08.03.2002 | top
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