Sing along, Mutti! Ein echter Cowboy kennt keine Furcht. Er kaut auf kalten Zigaretten, erschießt fiese Schurken und verbietet seiner Freundin, ihm beim Abschied den Rücken hinunter zu weinen, damit seine Sporen nicht rosten. Eitel wie ein Gockel stolziert er in Saloons hinein, breitbeinig, als hätte er Melonen dazwischen, um sich bei Whisky und Animiermädchen von den Strapazen des Männerdaseins zu erholen. Härter als das Leben der amerikanischen Kuhhirten ist nur noch das der trällernden Cowgirls an der Seite dieser Machos. "Flowers in the Wildwood - Women in early Country Music" heißt eine bei Trikont erschienene CD, die die singenden Mütter von Johnny Cash und den Dixie Chicks würdigt. Eine Compilation mit 25 Songs aus den zwanziger und dreißiger Jahren, randvoll gefüllt mit Country, Blues und viel weiblichem Selbstvertrauen. Jodelnde Bissgurken Sie hießen Moonshine Kate, Patsy Montana, Wisdom Sisters oder Louisiana Lou. In spießigen Gingham-Kleidern und Kompotthauben oder als weichgewaschene Cowboys mit Fransenrock und Colttasche als Kosmetikbeutel jodelten sie sich in die Männerdomäne der Country-Musik hinein. Sie wollten nicht mehr nur das untreue Miststück, die hartherzige Bissgurke oder die idealisierte heilige Mutter, gar die Unschuld von der Kuhweide in den Songs der Männer sein. Während des Zweiten Weltkriegs begann die Zeit reif zu werden für die Wohnzimmerflucht der Landfrauen. Sie sangen nicht mehr nur im trauten Heim für die Nestwärme, sondern sorgten mit Gitarre, Banjo, Fiddle und Jodel-Einlage für Furore zwischen Texas und Tennessee. Im flockigen Galopptakt
wird in ihren Songs gelitten und geliebt, gehofft und gebangt, gestorben
und verzweifelt. Die fröhlich trällernden Mädels aus dem
Goldenen Westen musizieren treudoof-naiv bis rührend-komisch drauf
los, was die Welt der Liebes- und Leidensschnulzen so hergab. Von selbstmörderischen
Vögeln, deren Flügel vor Liebeskummer blau anlaufen, bis zu
suizidgefährdeten Landeiern, die "On the Banks of the Old Tennesee
erotische Schäferstündchen erleben, reicht die Palette der besungenen
Themen. Im Gegensatz zu ihren
männlichen Pendants machten die Countrydamen auch nicht halt vor
intellektuellen Einlagen. In "She cames Rollin`Down the Mountain"
der Aaron Sisters ist Nancy ein Cowgirl in Sisyphus-Manier, die mit den
verschiedensten Männern die wilden Berge West Virginias erklimmt,
kurz vor dem Gipfel jedoch wieder herunterpurzelt. Neben dieser mythologischen
Dimension wird das neugewonnene Selbstbewusstsein häufig auch an
heilsgeschichtliche Dimensionen gekoppelt. Hört man das fröhliche
Lied "Homecoming Week" der Leatherman Sisters über das
Jüngste Gericht, bekommt man den Eindruck, dass die Ladies es kaum
bis zur Apokalypse abwarten können. Sie zählen die Tage, weil
dann die Party erst richtig losgeht. Bei soviel Leidensfähigkeit
verwundert es nicht, wenn die Southland`s Ladies Quartette sogar davon
singen, wieder an die Brust der Mutter gedrückt zu werden, als ob
sie die Welt so satt hätten, dass sie am liebsten in den Uterus zurückkriechen
würden. Gut, das sie es nicht gemacht haben. Denn sonst wären
diese "Blumen im wilden Wald" verwelkt, ohne uns in die faszinierenden
Abgründe des weiblichen Kitsches geführt zu haben. |
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last updated: 12.09.2003 | top |