Süddeutsche Zeitung

Der Drang der Unbestechlichen

„Africa Raps“ – eine CD-Präsentation mit HipHop aus dem Senegal

Die jungen Rapper waren einen weiten Weg gekommen, um ihre erste Kassette aufzunehmen. Doch dann musste erst ein kaputter Sampler im Studio repariert werden. In Dakar, der Hauptstadt Senegals, kann das Wochen dauern. Grund zum Aufgeben? Die künftigen HipHop-Stars verkaufen erst das Handy ihres Managers, dann ihre teuren Import-Sneakers: Lieber würden sie Sandalen tragen als ohne Kassette heimzukehren. Es sind diese Dringlichkeit, der unbedingte Wille zum Ausdruck, die den Münchner Musikjournalisten Jay Rutledge auf seinen Reisen nach Dakar sofort in den Bann schlugen. Und da moderne afrikanische Klänge jenseits von Ethno-Pop kaum ihren Weg nach Europa finden, suchte Rutledge dort, wo die westliche Selektion noch nicht stattgefunden hat: in den kleinen Kassettenläden der Metropolen. Die originellsten seiner Fundstücke hat er auf einer im Münchner Trikont-Verlag erscheinenden Anthologie festgehalten: „Africa Raps“. Zur CD-Präsentation heute Abend spielt Pee Froiss, eine der populärsten Rap-Crews aus dem Senegal, im Club 2 (Beginn 20 Uhr).

„HipHop ist in unserer Heimat mehr als ein Stil“, erklärt Frontmann Xuman. Kein Wunder, 80 Prozent der Bevölkerung des Landes sind unter 30 Jahre alt, viele von ihnen sind mit Rap aufgewachsen. Allein in Dakar soll es 2000 HipHop-Bands geben. Anfangs wurden sie noch als billige Kopie unmoralischer amerikanischer Gangsta-Rapper angefeindet, inzwischen haben selbst islamische Tugendwächter vor der Popularität der in Wolof gerappten Botschaften kapituliert: Refrains wie „Boul Fale“ („Tu, was du selbst für richtig hältst“) sind als geflügelte Worte in die Umgangssprache eingeflossen.

Wichtiger noch: Anders als ihren traditionellen Gegenstücken, den Griots, eilt den Rappern der Ruf der Unbestechlichkeit voraus: „Wir haben keine Lust mehr auf den korrupten Scheiß“, schimpft Xuman. „Wir haben uns über die Jahre das erarbeitet, was den Politikern fehlt: Integrität, und die ist nicht käuflich“. Während Pee Froiss im Senegal ganze Fußballstadien füllen, haben die Rapper hierzulande gegenüber ihren singenden Landsleuten Youssou N’dour und Baaba Maal einiges aufzuholen. Das liegt zum einen am Filz des westafrikanischen Kassettenmarktes: Mit einer einmaligen Abfindung sind dort sämtliche Rechte an den eigenen Songs verkauft. Zum anderen verstört der musikalische Eigensinn der senegalesischen Home Boys westliche Clubs und Plattenfirmen. So habe, erzählt Xuman, erst jüngst ein Veranstalter abgesagt, nachdem die Afrikaner für ihre Bühnenshow zwar Plattenspieler und DAT-Geräte anforderten, aber eben keine Trommel. Vielleicht hätten die Rapper besser ihren Bandnamen Pee Froiss übersetzen sollen. Kein Pidgin-Französisch für „kalte Füße“, sondern: „Beurteile niemanden nach seinem Äußeren“.

- JONATHAN FISCHER
 

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last updated: 14.11.2001 | top
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