Ein wesentliches Merkmal der auf Pop abonnierten Musikindustrie besteht
darin, Altes monatlich unter einem Geröll von Neuerscheinungen zu
vergraben und damit zu suggerieren, es sei nicht mehr up-to-date. Was
sich nicht als Oldie und Evergreen durchzusetzen vermag und einen ständigen
Neuaufguß erfährt, bleibt da für lange Zeit, oft für
alle Zeit verschüttet. Um so verdienstvoller ist die aufwendige CD-Edition
"Populäre jüdische Künstler" bei Trikont, die
mit 78 Nummern einen repräsentativen Überblick über die
jüdische Unterhaltungsmusik in Deutschland bis zur Machtergreifung
der Nazis bietet. "Diese CDs", schreibt das Label in seinem
Beiheft, "sind ein Denkmal für das Schaffen und Wirken der jüdischen
Künstlerinnen und Künstler." Als solches vermittelt die
Edition einen Eindruck von dem, was auf ihr selbstredend fehlt: die kulturelle
Wüste, die in Deutschland auch im Bereich der populären Musik
sich breitmachte, als die hier vertretenen Künstler emigrieren mußten
oder ermordet wurden. [Vollständiger
Artikel]
(KONKRET - Martin Büsser)
Die wahre Domäne jüdischer Unterhaltungskünstler war jedoch
nicht das Ballhaus, sondern die große Theaterbühne: Operette,
Varieté und Revue als populäre Formate, in denen sich Talente
zu Stars emporverdienten, ergänzt oft durch Film-, Radio- und Grammofonruhm.
Komponisten wie Friedrich
Hollaender, dessen Ausstoß an Melodien eine eigene Edition wert
wäre, Conférenciers wie Fritz Grünbaum oder kapriziöse
Diven wie Fritzi Massary waren die Idole ihrer Zeit Gesichter der
Großstadt, die mit ihrer Musik und ihrem Auftreten der zeitgenössischen
Vorstellung von Weltläufigkeit ein Gesicht gaben. Ihre Karrieren
führten sie von Wien bis Berlin und darüber hinaus nach London
und Amerika, wo sie vor der Verfolgung durch das Dritte Reich
Zuflucht suchen mussten. Doch ihre Chansons und Schlager prägen bis
heute die Erinnerung an eine florierende Metropolenkultur, die mit der
Machtergreifung der Nazis endete an die man sich aber gerade in
Berlin gern wieder erinnert... Mehr...
(Die Zeit - Daniel Bax)
Jüdische Künstler bestimmten maßgeblich die populäre
Unterhaltung der Zwischenkriegszeit. Als sie 1935 mit Auftrittsverbot
belegt wurden, verwandelten sich die dicken Kataloge der Schallplattenfirmen
in dünne Heftchen. Da sich die Juden in Deutschland und Österreich
in ihrer großen Mehrheit als Deutsche und Österreicher fühlten,
war es ihnen ein selbstverständliches Bedürfnis als solche ihre
vielleicht etwas andere Sicht der Welt einzubringen zu können. Wie
wenige sonst waren daher jüdische Künstler fähig mit scharfsinnigem
Blick das Wesentliche im Alltagsleben der Menschen um sie herum zu erkennen,
um dann diese Erkenntnis in >einfachen Humor<, in >tagtägliches
Lachen<, in ein >simples Lied<, oder in >alltäglichen
Witz< zu verwandeln. Mit enormem Können und einer große
Liebe dem Publikum gegenüber treffen ihre Lieder und Geschichten
die Seelen der Menschen. Sie prägten den Willen zur Ausgelassenheit
und Lebensfreude in den gar nicht so "Goldenen Zwanzigerjahren"
und waren international die besten Botschafter eines neuen, weltoffenen,
liberalen und durch geistvollen Humor geprägten Deutschlands.
Diese beiden CDs machen
auf eindringliche Weise deutlich: Ohne das Wirken jüdischer Künstler
wäre das, was uns bis heute als hiesige Kultur heimisch und vertraut
ist, so undenkbar. Die Auslöschung des Judentums ist identisch mit
der Auslöschung deutschsprachiger Kultur, bedeutet nicht nur Vernichtung
eines Teils, der in sich geschlossen immer auch als entbehrlich gedacht
werden kann, sondern die Zerstörung des Ganzen.
Das Wesen der durch
jüdische Künstler geformten Unterhaltung kann man kaum besser
beschreiben, als dies der heute vergessene Schriftsteller Arthur Landsberger
in seinem Roman "Berlin ohne Juden" tut, indem er bereits 1925
das kommende Schicksal der Juden vorausahnte:
"Die Menschen rennen aneinander vorbei und verstehen sich nicht.
Das liegt nicht daran, daß sie (...) verschiedene Sprachen sprechen.
Ihre Einstellung ist eine verschiedene. Und doch gibt es einen Ton, den
sie alle verstehen. Irgend etwas, was nicht in der Erde wurzelt, mit der
sie verwachsen sind, etwas, was schwingt, gewiß nicht tief und wertvoll
ist, aber sich doch irgendwie jedem mitteilt. Es st nichts Gedankliches
und auch nichts Gefühlsmäßiges, es sind auch nicht die
berühmten Les petits riens des täglichen Lebens; es ist Atmosphäre,
Melodie, die unhörbar mit allem Geschehen mitschwingt und in jeder
Menschheitsepoche eine andere ist. (
) Das ist etwas Unbewußtes,
feiner noch als Instinkt. Der Engländer hat's und vor allem der Jude!
Die Melodie der Zeit schwingt in ihm. Er fängt sie ein und gibt dem
Wesenlosen Form und Ausdruck
er hat die Melodie der Zeit im Ohr.
Er liest sie ab wie der Musikant die Noten. Das internationale Orchester
wird von ihm dirigiert."
Diese CDs sind ein
DENKMAL für das Schaffen und Wirken der jüdischer Künstlerinnen
und Künstler.
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Populäre
jüdische Künstler
Wien
CD-0291 |
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Preis:
15€ |
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Populäre
jüdische Künstler
Berlin, Hamburg, München
DoCD-0292 |
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Preis:
17€ |
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