FM4 Amadeus Award
(o-ton sterman:
"amadeus-verleihung... das ist sowas wie die paralympischen spiele
des pop". Vollständige Dankesrede von Attwenger gibts hier)
Most, Pflug, Luft,
Song, Sun und die Kia
Aus welchen Käffern und Abgründen die geniale Idee "Attwenger"
Anfang der 90er Jahre gekommen war, vermochten selbst die dienstältesten
FM4ler bei einer Befragung nicht so genau festzustellen:
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Ella Falkner already fighting! |
Enns? Mostviertel?
Innviertel? Obstviertel? Mühlviertel? Kamen sie aus dem Kulturzentrum
"Kanal" Schwertberg, aus der Linzer Hardcore Rezeption um Fadi
Dorninger und die Kapu?
Wonach sind die benannt?
Nach der Ortschaft "Attweng"? Nach einer oberösterreichischen
Verballhornung von "Ein Bisschen"? Oder doch nach einem Tischler,
wie die von ihnen kolportierte Legende geht?
Und wem ist das eingefallen?
Sind sie die Schwiegersöhne von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker?
Von Jacques Derrida und Peter Rosegger im Kopfgeburtenrausch gezeugt?
Haben sich das Ganze Asger Jorn und KRS One beim Schnapsen ausgedacht,
und zwei wehrlose Musikanten mussten das dann ausführen? Oder alles
zusammen?
Wama Liaba, Wama Liaba!
Attwenger Live
Ni "Volksmusik"- Ni "Novelty" ...
Als sie mit ihrem minimalistischen Konzept "Gstanzln treffen auf
New Wavig gespielte Maschinenbeats" anfingen, war das ein klassischer
Novelty-Fall. Ein "musikalischer Witz", ein "Gesprächsthema",
ein Beeindruckungsversuch mit einer zeitgeistigen Idee von "Think
Global, Act Local"- eher ein außermusikalisches Thema, das
sich schnell durch etwas anderes mit Neuheitswert für den Frühstückstisch
ersetzen ließe.
Attwenger schafften
es aber auf eine beeindruckende Art, sich zu verändern, ohne sich
zu verändern und somit ein künstlerischer Fixpunkt zu bleiben.
All die naheliegenden
Issues, die von ihnen angerissen wurden, deren Teil sie waren [von "Volksmusik"
bis "Avantgarde", von "Literatur" bis "Ironie",
von "Internationalismus" bis "Groove"], wurden nicht
gestreift oder "exploited", sondern durchdacht, angeeignet und
verarbeitet:
Musikalische Offenheit
innerhalb eines strengen Konzepts, textliche Verfeinerung innerhalb des
gnadenlosen Minimalismus, politische Offenheit und klare Standpunkte innerhalb
des Images als Dialektlandeier, Vieldeutigkeit innerhalb der artifiziellen
Reduktion, Intellektualität versteckt in einem Groove aus Holz -
das verstanden Attwenger immer und dachten es mit, oft ohne dass die Kritik
das gleich bemerkt hätte.
Kein Wunder, dass
sie das nicht bemerkt hat, war doch auf diesbezügliche Fragen oft
nur antiintellektuelles Grunzen aus den Mündern von Hans Peter Falkner
und Markus Binder zu hören.
"Neue Volksmusik":
Mit diesem unsäglichen Attribut sind Attwenger jahrelang gequält
und in die "Ausseer Hardbradler"- und "Koa Hiatamadl"-Ecke
gedrängt worden. Sie habens überstanden.
Ist ja auch daneben
und lachhaft, aber mit sowas haben sich KünstlerInnen eben auseinanderzusetzen,
auch wenn sie avantgardistische Ideen abarbeiten. Und am besten, wenn
ihnen solche Dinge, ihre Musik und ihr Konzept im Auge behaltend, gleichgültig
sind.
Das T-Shirt mit dem österreichischen Lieblingstier gibt es noch.
Dekonstruktivismus meets "die Kia"
In ihren Anfängen, den gerade ausgeklungenen stylishen, weltbürgerlichen
80er Jahren, wurde das Dumpftum und das Österreicherhafte von Attwenger
oft benasrümpft, vielleicht auch wegen ihrer grummeligen Kommunikationsverweigerung.
Die Derbheit, mit
der der Beat und der Mostviertler [Innviertler? Obstviertler? Mühlviertler?
... aahhh ...] Rap auf die Menge gelassen wurde, das Kasperlhafte und
dabei doch Grantige machte ihnen bei einem Teil ihres Publikums nicht
nur Freunde. Bandnamen wie "Die Goas" oder Tapes namens "die
Kia" haben sich nur schlecht mit dem "Derrida"-Bändchen
vertragen, das viele Konsumenten avancierterer Popkultur, meist männliche
und "feinsinnig- intellektuell- offene", damals in der Jackentasche
spazieren trugen.
Dennoch hatten wir
da eine im besten Sinn "postmoderne", "dekonstruktivistische",
"klandestine", "dissidente", "artifizielle",
"situationistische", "internationalistische" "Zelle",
die auch noch in den "Groove" drängte und ihre "Version"
davon machte.
Alles, was alle wollten
und wovon alle sprachen, aber man sah es eben nicht gleich.
Konzeptionell- dekonstruktivistisch? Situationistisch- dissident- klandestin-
internationalistisch?
Most!
Oder ich sah es nicht gleich. Denn das ist [auch] eine Selbstbeobachtung:
Ich habe Attwenger damals nicht gemocht und mich in dieser Ablehnung wohl
für einen besonderen Ästheten gehalten. Voll des Dünkels
war ich, und die Früchte der Theorie der 80er Jahre sah ich vor lauter
Dünkel nicht, weil sie sich mir in Gestalt zweier nachlässiger,
grantiger, schmutziger Landeier, wie ich selbst eines war, eröffnet
hatten. "Provinzialität" und wieder das böse "Neue
Volksmusik"-Attribut im Ohr stand ich damals vor der Provinzbühne
und sah dennoch nicht wenige, meist weibliche, Menschen zum eckigen Attwenger-Beat
tanzen.
Ohne Dünkel konnte man sich der Attwengermusik und dem Attwengertext
gut nähern. Die Texte hatten eben nicht nur "Dekonstruktivismus"
draufstehen, sie waren auch als Texte zu gebrauchen.
Oder kennt jemand
eine kunstvollere und tröstlichere österreichische Popzeile
wie das Mantra: "Es wead wieda woam wean"?
Ernst Jandl hat das
erkannt und sein donnerndes Dichterwort oft in Pro-Attwenger-Richtung
geschleudert.
Die Kunst und die
Lyrik Attwengers bekamen ihr Recht.
John Peel hat das
erkannt und sich in seiner Sendung auf BBC als Fan dieser seltsamen, unverwechselbaren
und auf eine bizarre Art ortlosen Musik geoutet.
Und die Band Attwenger
bekam Recht.
"Es wead wieda woam wean", mein Attwengerfavorit
"...kein Kleinkarierter soll ihnen was erzählen".
Die FM4 Community hat auch was erkannt.
Per Webvoting wurden
Attwenger von den Usern dieser Seite zum beliebtesten "Alternative
Act" gewählt, auch - und das macht sie besonders glücklich,
wie man hört - für das dezitiert internationalistische und explizit
politische "KaKlakarieda".
Sie haben gewonnen
und Stermann & Grissemann überreichen ihnen die Trophäe.
Wir gratulieren herzlich.
(http://fm4.orf.at/borisjordan/119418/main)
Knorrige Volkspunks
Da finden
sich Lieder von der ersten Platte, dieser eben verstörenden, knorrigen
Volkspunksammlung, die nun aber im Sog eines immerwährenden Loops
ein neues Eigenleben gewinnen. Die Kunst der Wiederholung, die könnten
Markus Binder und Hans-Peter Falkner bei Alexeij Sagerer gelernt haben,
der, Jahre ist's her, auch mal ausprobierte, wie sich ein Satz verändert,
wenn man ihn eine halbe Stunde lang wiederholt.[Vollständiger
Artikel]
(Süddeutsche Zeitung)
Was für eine Überraschung: Attwenger sind wieder da. Oder zurück.
Je nach Betrachtungsweise. Verschnaufpause beendet, alle voreiligen Abschiedsgedanken
anlässlich ihres 97er Albums "Song" beerdigt. Das war gestern.
Und heute ist heute: "Es ged scho, es gedscho wieder, es ged scho,
es gedscho wieder, es ged scho, gedscho wieda weida." ("Gedscho").
Nicht als Band
im eigentlichen Sinn, eher als sich ereignender Zustand, wie es Markus
Binder im Platteninfo beschreibt.Attwenger 2002, das ist musikalisch gesehen
ein dreiteiliges Modell: Attwenger, die klassische Variante mit Schlagzeug,
Ziehharmonika und unterschwelligen elektronischen Beats; Attwenger, die
extended Version mit bunten Gastauftritten (Gitarrenvirtuose Fred Frith,
die Münchner Couch und das Boban Markovic Orkestar, eine elfköpfige
Blaskapelle aus Jugoslawien) und Attwenger, die eher elektro-dialektische
Variante, die Markus Binder letztes Jahr ansatzweise auf seiner Disko-B-Soloplatte
"Photos 01" vorführte.Attwenger 2002, das ist vordergründig
auch mehr Markus Binder, weniger Hans-Peter Falkner (hintergründig
halten wir es mit Attwenger: "Mia dan wos ma dan und mia dan a wos
aundas ois des wos ma dan"). Denn ersterer hat auf "Sun"
Unmengen mitzuteilen - Slang-Poetry getreu dem Motto: Weglassen, was geht,
damit das, was fehlt, entsteht. Beispiele gefällig? "Laara disch",
"Sie dan", "Kaklakariada", "Kalender", "Huad"
oder das Titelstück "Sun" - kunstvoll verzwirbelte, verquere
Gedankenwelten, prinzipiell von Textlänge und Inhalt her eher wieder
an "Luft"-Zeiten angelehnt, jedoch in Sprachfluss, Wortspiel/-witz
einfach fast ein Jahrzehnt weiter. Advanced Style. Auf einen Punkt gebracht:
Fünfzehn aktuelle Deutungen zum Thema Sound und Dialekt - Fortsetzung
so gewiss wie ungewiss: ".....wird sich das so bald nicht ändern,
braucht aber auch niemand zu glauben, dass das immer so weitergeht."
(SPEX)
Wer als Erneuerer
der Volkmusik gehandelt wird, gewinnt normalerweise abseits Carolin Reiberscher
Volkstümlichkeit keinen Blumentopf. Anders bei Attwenger. Nur mit
Schlagzeug und Akkordeon bewaffnet überzeugten die Österreicher
in den frühen neunziger Jahren mit drei furiosen HipHop-Alben. Im
Herbst 1995 überraschte das Duo seine Fans zunächst mit einer
Trennung, um dann Ende 1997 mit dem Ambient-Album "Song" auf
den Markt zu drängen.
Fünf Jahre haben
die beiden Linzer geschwiegen, um sich jetzt wieder zu Wort zu melden.
Nachdem sie mit ihrer letzten Scheibe die Kunst des Verkürzens auf
die Spitze getrieben haben, den Text auf das Nötigste reduzierten,
sehen sie sich auf "Sun" gezwungen, Stellung zu beziehen. Mit
Mundart gegen die neue Rechte. Freilich hat man der repetitiven Techno-Kultur
nicht völlig abgeschworen, schenkt den Hörern mit "gedscho"
eine der Motivationshymnen überhaupt. Doch die Angst vor dem Wort
scheint endgültig überwunden. Gesprächig wie nie machen
Attwenger mit "kaklakarida" ihrem Ärger über den wieder
erstarkten Nationalismus Luft und öffnen sich dem Neuen. In ihrem
Fall heißt das: neue Instrumente und Gastmusiker. Zu Schlagzeug,
Akkordeon, Elektronika und Maultrommel gesellen sich Blechblasinstrumente,
Gitarre, Bass und Keyboard. Und auch wenn die Kooperationen mit dem britischen
Gitarrenvirtuosen Fred Frith und der Münchner Band Couch Attwenger
ein wenig in ihrer Einzigartigkeit beschneiden, sind diese Ausrutscher
dank der genialen Zusammenarbeit mit der serbischen Blaskapelle Boban
Markovic Orkestar mehr als wettgemacht. Bei "sie dan" und "huad"
klingen Attwenger anarchischer und wilder als zu ihren besten Zeiten.
Mit "Sun"gelang
Attwenger die perfekte Mischung aus ihrer punkigen Frühpase und ihrem
viel gerühmten Elektronik-Album "Song". Selten wurde auf
so erfrischend ungestüme Art Weltmusik mit Electronica kombiniert.
(Pro 7)
Das Linzer Duo Attwenger
präsentiert derzeit nicht nur sein neues Album
"Sun", sondern auch seine ideale Arbeitskleidung, den Anzug.
Auf den
Charakterkopf kommt es an.
Möglicherweise
ist das jetzt eine etwas verstiegene These, aber: Entgegen
aller Vorurteile ist so ein Anzug ja heute die ideale Arbeitskleidung
für
einen Attwenger. Immerhin geht es dem Linzer Duo darum, bei einer möglichst
schlichten und, trotz gelegentlicher, durch die klein gehaltene Besetzung
Schlagzeug/Ziehharmonika bedingter Ausbrüche eigentlich unspektakulären
äußeren Form die Kämpfe, die hier inhaltlich wüten,
eher unterhalb der
Oberfläche auszutragen. Nach außen regiert, mittlerweile über
fünf Alben zu
einem "klassischen" Attwenger-Sound perfektioniert, Sachlichkeit
statt
Sentiment.[vollständiger
Artikel]
(Standard - Christian Schachinger)
Attwengern, so wenig
wie möglich
Das Linzer Duo Attwenger veröffentlicht mit "Sun" wieder
eine vergnügliche
Reise durch die Wunderwelt von Dialekt und Sound. Dass man dabei auch
oft am
Provinzialismus vorbeimuss, belegt das neue Lied "Kaklakariada":
"Diese
gaunzn Patriotn, nationale Idiotn!" Ein Gespräch über nötige
und unnötige
Wiederholungen in Politik und Musik. [Interview]
(Interview: Standard - Christian Schachinger)
Das Linzer Duo Attwenger
hat nach fünf Jahren mit "Sun" wieder ein Album vorgelegt.
Mit dem "Falter" (Wien) sprachen Markus Binder und Hans-Peter
Falkner über die Tätigkeit des "Attwengerns", über
das Reisen, das Abheben und die Musik, die entsteht, wenn man am Boden
sitzen bleibt... [Interview]
(Interview: Gerhard Stöger - Falter)
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